Mal eben schnell

Heute habe ich mich dabei erwischt, wie ich neidisch auf ihn war. Neidisch darauf, dass er heute ins Büro gehen darf, raus in die Welt, an seinen Computer, schreiben, denken, arbeiten, in der Kantine mit den Kollegen etwas essen, oder doch lieber rausgehen auf eine Portion Sushi, bei dem Wetter. Neidisch darauf, dass er Kaffee trinken kann, richtigen Kaffee mit Koffein. Neidisch darauf, dass er seinen Tag damit beginnt, auf dem Balkon zu sitzen und zu rauchen, nicht einmal nur des Rauchen wegens, vielmehr wegen dieser Ruhe, mit der er Dinge tun kann, auf dem Balkon sitzen am frühen Morgen, der Straße beim Aufwachen zusehen, duschen, noch eine Email schreiben.

Solche Gedanken dauern nie lange. Meistens nur, bis Fanny morgens aufwacht und das erste Mal lacht. Keine Ahnung, wie man direkt nach dem Aufwachen so gute Laune haben kann, aber sobald sie aufwacht, lacht sie über das ganze Gesicht und strampelt, strampelt, strampelt, als ob es nichts Schöneres gäbe als aufzuwachen. Ich gewöhne mich nie an dieses allererste Lachen des Tages und diesen kleinen Tanz im Liegen, obwohl sich mir vor Glück jedes Mal das Herz umdreht. Und es gibt viele solcher Momente. Aber es gibt auch diese Momente, in denen ich mich danach sehne, nur mal einen Tag für mich zu haben, nicht um sieben Uhr aufzustehen, um zehn Minuten in Ruhe zu duschen, nicht erst am Nachmittag mal etwas zu essen, nicht bei jeder Verabredung oder bei jedem kleinen Ausflug ohne sie darüber nachzudenken, ob mir gleich die Brüste platzen, oder ob sie trinkt, wenn ihr Papa ihr die Flasche gibt, oder ob sie sich vielleicht ganz schrecklich verlassen fühlt von ihrer egoistischen Rabenmutter, die mal eben schnell für eine Stunde zu Zara muss, um nicht wahnsinnig zu werden. Einfach mal vor die Haustür gehen, ohne darüber nachzudenken, ob ich Windeln, ein Spucktuch, das Regenverdeck, eine Mütze, einen Notfallbody, ein paar feuchte Tücher und ihren Knisterelefanten eingepackt habe. Mal wieder meinen Körper für mich haben. Mal so etwas wie einen klaren Gedanken fassen können, statt mitten im Satz zu vergessen, was ich eigentlich sagen wollte, weil mein Gehirn so verklebt ist. Mal nicht um Mitternacht neben ihm einzuschlafen, wenn sie sich endlich ihrer Müdigkeit ergeben hat. Genieß die Zeit, solange du noch schwanger bist, schlaf dich aus, setz dich ins Café, geh in die Stadt, geh ins Kino, hat mir J. immer gesagt. Sobald du ein Kind hast, ist alles anders. So dramatisch wird es schon nicht sein, hab ich mir damals gedacht. So dramatisch ist es auch nicht. Nur anders. Sehr anders.

5 Kommentare:

  1. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  2. du schreibst mir aus der seele.
    mama von till knapp 5 monate (und noch voll gestillt :) )

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  3. liebe okka,
    auch mir geht es ganz genauso. wirklich ganz genauso. witzig.
    wenn ich stille, dann lese ich oft in deinem blog. eigentlich habe ich mir vorgenommen, nicht mehr so viel zeit im internet zu vertrödeln aber das geht eben gar nicht, bis ich hier alles bewundert, aufgesaugt, gelesen habe.
    liebe grüße an dich und deine bezaubernde fanny
    von iris und jonathan

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    1. liebe iris, lustig, das jetzt noch einmal wiederzulesen - fühlt sich schon wieder an, als sei das alles EWIG her. hab mich gerade so über deinen kommentar gefreut, vielen, vielen dank! ganz liebe grüße an dich und natürlich jonathan!

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  4. Liebe Okka,
    ach ach, hab Dank für diesen Text, den ich bei den Fannytexten gefunden habe.
    Moritz ist nun drei Monate alt. Alles ist wunderbar, aber dein Text auch so wahr.
    ;)
    Merci!

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